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Georg Tanner genoss das Knarren des alten Buchenfussbodens, wenn er ihn früh am Morgen als erster betrat. Auf den Metern zu seinem Büro liess er sich gerne vom fast körperlichen Geräusch des uralten Holzes begleiten. Der Geist der Jahrhunderte filterte aus dem Parkett, war förmlich zu fühlen. Wer wohl alles schon über diese Dielen geschritten war - Kaufleute, Adlige, Geistliche, gewöhnliche Bürger? Damals, als das Gebäude noch jung war. Hunderte Jahre später, als das herrschaftliche Barockhaus zum Altersheim „Marthastift" geworden war, waren die Dielen von Pantoffeln und Schlappen der Pensionäre und von Birkenstockpantoffeln des Pflegepersonals beschritten worden. Seit einigen Jahren liessen nun Polizistenschuhe den Boden erknarren - und hin und wieder ein Gesetzesbrecher. Welche von all diesen Füssen waren dem Boden wohl am liebsten gewesen?

Er öffnete schwungvoll die Tür zu seinem Büro, dessen hoch über den Fischmarkt hinaus schauende Fenster bereits erste Sonnenstrahlen in den Raum liessen. Endlich Frühling! Die Uhren waren auf Sommerzeit umgestellt worden, nun begann das eigentliche Leben wieder. Der Winter war überstanden. Das fehlende Licht am Morgen und am Abend machte ihm Jahr für Jahr mehr zu schaffen. Er war jetzt dreiundvierzig Jahre alt - wie würde das wohl erst sein, wenn er sechzig war?

Er ging zu seinem hellgrauen Metallschreibtisch und pfiff eine alte Swing-Melodie: My Baby just cares for me. Fast war es, als ob Anne noch in seinen Armen läge, wie gestern Abend, als sie Nina Simone auflegten und langsam dazu tanzten.

Er setzte seine fünfundachtzig Kilo - oder waren es schon sechsundachtzig? - auf den hellgrauen Bürostuhl, rollte an den Schreibtisch und lehnte sich zurück. Eigentlich war sein Büro ja ziemlich trostlos. Abgesehen von Schreibtisch und Bürostuhl standen ein paar Aktenschränke drin - selbstverständlich hellgraue. Noch immer hatte er keine Bilder an die weissen, getäferten Wände gehängt. Es war immer das gleiche mit solchen Sachen. Wenn man sie nicht sofort erledigte, tat man es nie. Zwölf Jahre schon war das sein Büro. Nur der riesige Eichentisch, der wohl schon hunderte Jahre hier stand, gab dem Raum etwas Wärme. Ein halbes Dutzend hellgrauer Metallstühle stand um ihn herum. Dahinter befanden sich zwei Pinwände für Fotos, Notizen, und Karten, die für laufende Ermittlungen gebraucht wurden. Im Moment waren die Pinwände leer.

Sein Mund verkniff sich unwillkürlich, wenn er das kürzlich an der Zimmerdecke installierte Feuermelde- und Löschsystem anschaute. Er hatte sich lange dagegen gesträubt, dass dieser altehrwürdige Raum so verunstaltet werden sollte. Aber die Feuerpolizei kannte keine Gnade. Rücksichtslos hatten die Installateure Leitungen durch die Wandtäfelung gezogen und an der uralten Holzdecke verschraubt. Es tat richtig weh, diese rohen Leitungen an der Decke zu sehen. Das wäre doch der Moment für einen Hausgeist gewesen, sich zu wehren. Aber wenn man einmal einen Geist brauchte, kam er nicht. Er schmunzelte wegen dieses Gedankens.

Er streckte den Rücken, spannte die Schulter- und Armmuskeln. Die waren eigentlich noch ganz in Ordnung. Wobei etwas häufigeres Training ihnen sicher nicht schaden würde. Dann wären auch die Frage, ob fünf- oder sechsundachtzig Kilo, kein Thema mehr. Berichte schreiben stählte nun mal keinen Muskel, es liess sie lediglich verhärten.

Was lag da vor ihm auf dem Schreibtisch? Ein Haar - grau. Das konnte ja wohl nicht von ihm stammen, oder? Dieses corpus delicti konnte doch unmöglich aus seinem vollen Haarschopf gestürzt sein. Allerdings ... eine gewisse Farbschattierung hatte er im Spiegel auch schon festgestellt.

Ach, die Zeit ...

Immerhin, es war lange her, dass er Gelegenheit hatte, sich im Büro solche Gedanken zu machen. Die letzten Wochen waren hektisch gewesen. Er und seine Leute von der Sektion Leben der Kriminalpolizei beider Basel hatten alle Hände voll zu tun gehabt. Auch wenn es sich nur bei wenigen ihrer Fälle um Verbrechen handelte, hatten sie doch bei allen Arten von aussergewöhnlichen Todesfällen kriminalpolizeiliche Abklärungen vorzunehmen. Am vergangenen Freitag war der letzte hängige Fall abgeschlossen worden. Sie hatten aufgeatmet und das erste freie Wochenende seit Langem verbracht. Gestern hatte es allerdings so ausgesehen, als ob der Stress gleich wieder losgehen würde. Erst ein Unfall in einer chemischen Fabrik und dann diese Sache in der Strassenbahn. Glücklicherweise zeigte sich aber, dass zumindest Letzteres kein Fall für die Polizei war, sondern die Gesundheitsbehörden betraf. Irgend so ein Virus soll die Todesursache gewesen sein.

Er startete den Computer und machte sich an den Papierkram. Schon erstaunlich, wie leicht es einem fallen konnte, einen Bericht zu schreiben, wenn der Druck einmal weg war. Heute würde sich Mord und Totschlag - so nannte sich seine Sektion der Kripo insgeheim - wieder einmal zur Kaffeepause treffen und plaudern können. Ausserdem hatte er Gelegenheit für ein ausgiebiges Mittagessen. Er freute sich wie ein Schuljunge auf seine Verabredung mit Anne im Strassenbistro des Caffelatte.

Der einzige Wermutstropfen war, dass ihm sein Chef wieder einmal einen Absolventen des Kripolehrganges zugeteilt hatte. Zur Unterstützung, sagte er dem. Tatsächlich bedeutete ein neuer Assistent aber zusätzlichen Aufwand. Diesmal war der Absolvent weiblich, hiess Anette Beckmann, war mittelgross, breitschultrig, Brillenträgerin und sehr eifrig. Aber das kam später, jetzt musste erst mal der Papierkram vom Tisch.

Zwei Stunden später war sein Schreibtisch leer, der letzte Bericht erledigt. Fast wie bestellt ging die Tür auf und Annegreth Weber kam mit einer dampfenden Tasse Kaffee und einer Zeitung herein. Frau Weber war offiziell die Sekretärin von Mord und Totschlag. Von ihr aber nur als Sekretärin zu reden, traf den Kern bei Weitem nicht. Sie war eine Künstlerin bei Nachforschungen im Cyberspace. Ihre konservative Kleidung und die anspruchlose halblange Frisur täuschten darüber hinweg, dass sie in Sachen Internet, Datenbanken und Datenbanksicherheit immer auf dem neuesten Stand war. Sie kannte Mittel und Wege, um an elektronisch gespeicherte Informationen zu kommen. Ihre Fähigkeiten hatten schon öfter wichtige Erkenntnisse in Verbrechensfällen gebracht.

"Na, heute schon in Nordkorea gewesen?" fragte er sie grinsend.

"Ich stöbere nur ein wenig im Kreml herum", antwortete sie mit ernster Miene.

Sein Grinsen gefror. Das war die Kehrseite. Bei diesen Sachen wusste man nie genau, ob sie scherzte oder nicht

"Ich chatte gerade mit dem Chef des KGB", fügte sie an. Dann wandelte sich ihre Miene zu einem Lächeln. Es war also ein Scherz gewesen - zum Glück. Ach ja, den KGB gab es ja längst nicht mehr. Sie legte ihm die Zeitung auf den Schreibtisch - die heutige Ausgabe des Blattes. Den Kaffee stellte sie auf die Schreibtischplatte. "Eigentlich sollte die Antwort auf meine letzte Frage jetzt da sein. Ich gehe sofort und schaue nach." Sie zwinkerte, und schon war sie wieder weg.

"Und danke für den Kaffee", rief er hinter ihr her. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und nahm das Blatt in die Hand. Der Leitartikel stammte von Jenny Kliebenschädel. Natürlich von der Kliebenschädel! Was hatte er schon Probleme mit dieser Reporterin gehabt - seinen Job hätte er ihretwegen einmal beinahe verloren. Aber heute war seine Laune so gut, dass ihm sogar ihr neuester, sicher wie üblich reisserischer Artikel nichts würde anhaben können. Er überflog die einleitenden Zeilen und las dann genauer.

... während die Fahrgäste der Strassenbahn Nummer 8 weiterhin in Quarantäne verbleiben müssen. Das kantonale Gesundheitsamt wollte keine Angaben zur Todesursache der Biologin machen. Der Verdacht auf eine akute Viruserkrankung könne aber vorerst nicht ausgeräumt werden. Zusätzlich erneuerte das Gesundheitsamt den Aufruf an diejenigen Fahrgäste der Todesbahn, welche sich nach dem Ereignis vom Ort entfernt hatten. Kontakte zu Mitmenschen sollen möglichst unterlassen werden, und sie sollen sich umgehend in die Quarantänestation des Kantonsspitals begeben."

Zum Glück war bisher keiner auf die Idee gekommen, auch die Polizisten unter Quarantäne zu stellen, welche für Ermittlungen vor Ort gewesen waren. Er würde auch niemanden darauf hinweisen, denn er hatte keine Lust, Tage oder gar Wochen in einer engen Spitalsstation zu verbringen.

„Man kann es als Glücksfall bezeichnen, dass die Steinhousy-Werke über ein funktionstüchtiges, so genanntes Stufe 4-Sicherheitslabor verfügen. Es wurde den Behörden für die Untersuchung der Toten zur Verfügung gestellt. Diese auf den ersten Blick zielgerichteten Massnahmen können bei näherem Betrachten nicht über die Hilflosigkeit der Behörden im Umgang mit der so plötzlich in unserer Stadt aufgetauchten tödlichen Bedrohung hinwegtäuschen. Es wird schonungslos klar, dass in unserem Kanton niemand auf den Fall eines aggressiven, die ganze Bevölkerung bedrohenden Virus vorbereitet ist. Ein geradezu kolossales Versäumnis, angesichts der Existenz von solch verheerenden Krankheiten wie dem Ebola-Fieber ..."

Sein Telefon klingelte. Unwillkürlich hoben sich seine buschigen Augenbrauen. Ein Anruf bedeutete oft einen neuen Fall. Und der könnte sein Mittagessen mit Anne in Gefahr bringen. Natürlich könnte man den Apparat einfach läuten lassen ... vielleicht war man ja gerade auf der Toilette ...

Am Apparat war Dr. Bernstein, der Rechtsmediziner. "Ich wette, Sie haben sich schon gefreut, dass Sie mit der Toten aus der Strassenbahn nichts zu tun haben", quäkte es an sein Ohr. Er konnte die Schadenfreude förmlich aus dem Hörer triefen sehen.

"Was offenbar ein Irrtum war ...". So ein Mist.

"Kommen Sie doch mal bei Steinhousy vorbei. Wissen Sie, wo das Sicherheitslabor liegt?"

"Keine Ahnung."

"Fragen Sie am Empfang, die führen Sie hin."

"Wieso sind Sie eigentlich dort? Sind jetzt nicht die Virensucher am Werk?"

"Ich gebe meine Leichen nicht gern aus der Hand, bevor die Todesursache geklärt ist. War richtig mein Entschluss. Sie werden sehen."

"Wenn der Rechtsmediziner ruft, lässt der Polizist natürlich alles fallen und rennt los. Ich hole noch die Neue, dann komme ich."

"Die Neue?"

"Sie werden sehen."

 

„Eingerichtet wurde das Sicherheitslabor für die Entwicklung von Impfstoffen gegen einige sehr aggressive Viren, welche früher grossen Schaden bei Nutztieren anrichteten." Dies erklärte Frau Hofmann, die ihn und Anette Beckmann am Empfang der Steinhousy-Werke abgeholt hatte. „Als die Medikamente vor etwa fünf Jahren entwickelt und auf dem Markt waren, wurde das Labor stillgelegt."

"Aber funktioniert denn alles noch so, dass kein Risiko besteht?" wollte seine neue Assistentin wissen.

"Die wichtigsten Einrichtungen - jene, die für die Verhinderung einer Virenfreisetzung entscheidend sind - haben wir natürlich sorgfältig getestet, bevor wir das Labor für diesen Fall freigegeben haben. Da ist alles perfekt in Ordnung. Bei Kleinigkeiten bestehen noch geringfügige Probleme, aber die Sicherheit ist damit in keiner Weise in Frage gestellt."

Er schaute sie von der Seite an. Eine zweifellos gut ausgebildete Public-Relations-Fachfrau, diese Hofmann. Zumindest beherrschte sie die Standardformel der Krisenmanager einwandfrei. "Es handelt sich zwar um eine Riesenkatastrophe, aber für die Bevölkerung besteht keine Gefahr". Noch wenn kein Mensch weiss, was eigentlich los ist, wird vorsorglich schon abgewiegelt. Genau diese Art von Äusserungen machte ihn immer misstrauisch.

Das Werkgelände war riesig. Seit zehn Minuten wurden sie von Frau Hofmann durch Gebäude, über Verkehrswege und Werkhöfe geführt. Unzählige elektronisch verriegelte Sicherheitstüren waren mittels Schlüssel oder Daumenscanner zu überwinden. Längst hatte er die Orientierung verloren. Endlich erreichten sie das Gebäude mit dem Hochsicherheitslabor. Ein Lift brachte sie in den Untergrund. Es war unmöglich abzuschätzen, wie tief unter der Oberfläche sie waren, als sie in einen grell beleuchteten Raum geführt wurden. An den Seitenwänden erstreckten sich Pulte voller Computerbildschirme. Davor sassen drei Personen in Labormänteln und überwachten Grafiken, Skalen und Anzeigen. An der Frontwand bildete ein fast zwei Meter breiter Flachbildschirm das Zentrum des Überwachungsraumes. Darauf war das Innere des eigentlichen Hochsicherheitsbereichs des Labors zu erkennen. Frau Hofmann wies ihnen zwei Sessel an einem in der Mitte des Raumes platzierten Pult zu. Dieses diente offenbar der Kommunikation mit dem Sicherheitslabor, denn darauf fand sich neben weiteren Bildschirmen eine Gegensprechanlage.

"Selbstverständlich ist kein direkter Einblick in das Hochsicherheitslabor möglich", erklärte ihm Frau Hofmann. "Das Risiko einer schadhaften Fensterdichtung ist viel zu gross. Alle Datenübertragungen erfolgen drahtlos. Wenn Sie mit dem Labor sprechen wollen, drücken Sie einfach diese Taste und sprechen in das Mikrofon. Wenn sie hier sitzen, werden Sie von der Kamera über dem Grossbildschirm optimal erfasst. Im Labor befindet sich ein weiterer Bildschirm, auf dem Sie zu sehen sind.

Auf ihrem Bildschirm waren drei Personen zu sehen. Zwei von ihnen sassen in dicke lindgrüne Schutzanzüge gekleidet an Labortischen im Hintergrund des Labors und hantierten an Geräten. Sie trugen geschlossene Schutzmasken mit Atemschläuchen, welche an Atemgeräten auf ihrem Rücken endeten. Im Vordergrund stand Doktor Bernstein, der dieselbe Schutzausrüstung trug, aber die schwere Schutzmaske auf die Stirn hochgeschoben hatte. Ausserdem stand sein Schutzanzug vorne offen. Hinter ihm war eine zugedeckte Leiche auf einer Sezierwanne zu erkennen. Als der Rechtsmediziner ihn und seine Begleiterin erblickte, trat er näher zur Kamera und drückte die Sprechtaste der Kommunikationsanlage.

"Das ist die Neue?", fragte er und liess die Taste los.

Tanner drückte seine Sprechtaste "Anette Beckmann verstärkt seit heute unser Team." Zur Assistentin gewandt erklärte er: "Das ist Doktor Bernstein. Er ist der Chef der Rechtsmedizin. Wir nennen ihn auch den Leichenmagier". Es war ihm wichtig, dass die junge Kollegin sich der grossen Bedeutung der Rechtsmedizin bewusst war und die entsprechende Achtung vor der Arbeit der Rechtsmediziner hatte. Sie nickte dem Mediziner lächelnd zu.

Die nachlässige Bekleidung Bernsteins wunderte ihn. Immerhin ging es hier um ein offenbar hochgefährliches Virus. Er drückte die Sprechtaste.

"Eine Tröpfcheninfektion beim Niesen ist vom Opfer zwar kaum mehr zu erwarten, aber sind Sie nicht doch etwas salopp gekleidet - bei einem Virusopfer?"

Bernstein antwortete, seine Worte waren jedoch nicht zu hören. Da merkte Tanner, dass er immer noch die Sprechtaste gedrückt hielt. Schnell liess er sie los.

"Sie wurde vergiftet", sagte Bernstein grinsend.

Das war es also ...

Die Virustheorie hatte er nur allzu gern geglaubt. Voreilig offenbar. Angesichts der Gefahr, die von hoch ansteckenden Viren ausgehen könnte, war es allerdings sicher richtig gewesen, dies in erster Priorität abzuklären. Aber mit Bernsteins Befund sah natürlich alles anders aus. Mord und Totschlag hatte einen neuen Fall.

"Offenbar ein sehr schnell wirkendes Gift, nach den Berichten über die Vorfälle in der Strassenbahn zu schliessen", sagte er. Bernstein formte mit seiner Rechten einen Hörtrichter am Ohr. Mist, er hatte die Sprechtaste nicht gedrückt. Dass es in diesem hochmodernen Labor keine besseren Kommunikationsmöglichkeiten gab? Er drückte die Taste und wiederholte seine Bemerkung.

"Curare", kam die Antwort mit einem Knistern aus dem Lautsprecher.

"Curare?"

"Curare", bekräftigte der Arzt, der ihm den Namen des Giftes offenbar von den Lippen gelesen hatte, denn er hatte die Sprechtaste nicht gedrückt. Südamerikanisches Pfeilgift! Konnte das sein?

"Wir wissen aber noch nicht, welche Art dieses Giftes", fuhr Bernstein fort. "Darüber werden erst die Laboranalysen Auskunft geben." Es knisterte wieder elektronisch, als er die Sprechtaste losliess.

"Wie wurde ihr das Gift verabreicht?"

"Keine Ahnung", antwortete Dr. Bernstein durch ein Knistergewitter.

"Wie bitte?" War das sein Ernst? Bisher hatte der Leichenmagier bei solch grundlegenden Fragen immer eine Antwort gewusst. Bernstein hatte seinen ungläubigen Blick wohl gesehen. Er erklärte die Sache, von einem immer stärker werdenden Knistern in der Sprechanlage unterbrochen.

"Curare wirkt nur, wenn ..... chcchzzzz ... Blutkreislauf gelangt. Klassischer Weise als Pfsschhchz .... Es wirkt nicht, wenn es eingeatmet odchzzzchchzz ... wird ...zzzchhzhchch ... keine Einstichstelle ... chcchzzzz ... keine Ahnung." Er liess die Taste los und unterstrich seine Ratlosigkeit mit einem grossen Schulterheben.

Tanner schaute die immer noch da stehende Frau Hofmann an. "Die Gegensprechanlage gehört wohl zu jenen Kleinigkeiten, die noch Probleme machen, wie?" Sie liess ihn ein unverbindliches Lächeln sehen.

Er war nicht sicher, ob er den Arzt richtig verstanden hatte und fragte nach.

"Sie meinen, Curare muss injiziert werden, damit es wirkt, Sie können aber keine Einstichstelle finden." Von seiner Seite funktionierte die Kommunikationsanlage offenbar, denn Bernstein nickte lebhaft als Antwort.

"Und nun?"

Mit Gesten und breitem Grinsen gab ihm Bernstein zu verstehen, dass er selbst jetzt Feierabend mache und sich Tanner gefälligst an die Arbeit machen solle.