Mord-Intro 3

 

Nun war es also geschehen. Kaum waren die beiden ersten Mordopfer in gebührender Stimmung beigesetzt - also mit Dauerregen - da stellten sich trockene Verhältnisse ein. Schluss mit „blass-schleimigem Zwielicht". Schon suchten erste Sonnenstrahlen den Weg durch die dünner werdende Bewölkung. Augen kniffen sich schmerzlich zusammen, als nach so langer Zeit helles Licht zu ihnen vordrang. Dampffäden begannen träge von Parkplätzen und Strassen hochzusteigen. Ein leichter Wind zerteilte und bündelte sie in wirrem Spiel. Ungläubig aber freudig blinzelten Kinder aus Mietwohnungen und forderten ihre Mütter sogleich zu einem Besuch des nächsten Spielplatzes auf. Die Stadt räkelte sich aus einem fast zweiwöchigen Dämmerschlaf hoch. Selbstverständlich bleibt die Kleidung dick, denn kalt ist es noch immer. Das wird sich auch bis zum Frühjahr nicht ändern. Doch die Wangen werden rosiger, und gerunzelte Stirnen glätten sich.

Das ist ja alles schön und gut. Aber was ist nun mit dem dritten Mord? Soll der etwa an einem goldenen Spätherbstnachmittag geschehen? Soll frisches, eben einem menschlichen Körper entflossenes Blut im Sonnenschein schimmern? Sollen Vögel zwitschern, während ein Mensch im Todeskampf röchelt? Sollen Regentropfen auf Grashalmen glitzern, während ein Leben verblasst? Sie merken es, liebe Leser, der Autor hätte es sehr geschätzt, wenn das Wetter erst einen Tag später umgeschlagen hätte. Aber so ist das mit der Natur: sie ist wankelmütig, unberechenbar, ein unzuverlässiger Partner. Zumindest mit menschlichen Massstäben gemessen. Sie selbst sieht das "natürlich" ganz anders. Sie findet, wir Menschen seien unstet, flatterhaft und neblig. Kaum geboren, schon wieder tot. Und da wären wir wieder beim Thema.

Man ist versucht, an ein Gewitter zu denken, um den trefflichen Hintergrund zu einem weiteren üblen Verbrechen zu liefern. Aber ist das glaubwürdig? Im November? Schon eher ein Sturm. Kaum, dass sich die ersten Sonnenstrahlen zeigen, einen Sturm geschehen lassen? Mit geradezu göttlicher Willkür? Es scheint leider der Moment gekommen zu sein, wo der Autor sich andere Mittel zum Aufbau der passenden Atmosphäre für ein Verbrechen gegen Leib und Leben ausdenken muss.