Mord-Intro 2

 

Fast zwei Tage sind vergangen, seit diese Geschichte ihren Anfang nahm. Damals dachten wir darüber nach, was wohl einen Krimiautor dazu bringen kann, seine Morde ausgerechnet bei kaltem Nieselwetter im November geschehen zu lassen. Nun gut, man kann es akzeptieren, dass der erste Mord, der die Geschichte ins Rollen bringt, bei solch unerfreulichen meteorologischen Bedingungen geschehen muss. Aber dass es jetzt, wo der zweite Mord fällig ist, immer noch unaufhörlich nieseln soll, dass immer noch ein - wie nannten wir es - blass-schleimiges Zwielicht herrschen soll, ohne dass sich je eine etwas heiterere, vielleicht sogar trockene Wetterphase eingeschoben hätte, ja - muss denn das sein? Zugegeben: einen bald acht Tage dauernden, unaufhörlichen Nieselregen und die dazugehörigen unheilschweren Nebelschwaden aufrecht zu erhalten, fordert die atmosphärenphysikalischen Fähigkeiten der Natur bis zum Äussersten. Aber es gibt solche Phasen. Wie wären sonst die zahlreichen abgrund-traurigen Blues-songs aus dem Mississippidelta zu erklären? Nein, nur eine unerwiderte Liebe und die Unbillen eines Farbigen-Schicksals in den Südstaaten der USA genügen nicht als Begründung. Das Wetter muss dabei eine Rolle spielen, es muss ganz einfach so lange Nieselwetterphasen geben...

Ob Sie, lieber Leser, es nun glauben oder nicht, auch am dritten Tag der vorliegenden üblen Geschichte hat es unaufhörlich genieselt. Die meisten Menschen haben nach dieser langen Zeit längst alle Initiative verloren, lassen sich einfach vom Strom der Zeit treiben. Auch der straffste Rücken beginnt sich zu beugen, sogar in gelifteten Gesichtern machen sich Wangen und Augenwinkel auf die Wanderschaft in Richtung Schlüsselbein. Kühlschränke leeren sich allmählich, weil niemand zum Einkaufen geht. Schlechtgelaunte Pizzakuriere machen ein gutes Geschäft. Die Fernseher laufen heiss, sogar die miesesten Talkshows und Reality-Soaps erreichen traumhafte Einschaltquoten.

Wenn man es aus der Sicht des Autors betrachtet, muss man allerdings zugeben, dass es nicht ganz einfach ist, eine einmal aufgebaute Stimmung - und dazu gehört nun einmal auch das Wetter - zu ändern, ohne dass die Atmosphäre der Geschichte zusammenfällt. Da ist es am einfachsten, das Wetter so zu lassen, wie es ist. Später in dieser Geschichte könnten wir allerdings mit dem Problem konfrontiert werden, dass das Wetter sich ändert. Laut Vorhersage soll sich nämlich allmählich ein Hochdruckgebiet nähern, das trockene Verhältnisse und vielleicht sogar etwas Sonnenschein verheisst. Als Autor hofft man natürlich, dass sich die Meteorologen irren. Doch leider sind die heutigen Computermodelle mittlerweile so zuverlässig, dass solche Irrtümer immer seltener werden.

Vorläufig jedoch kriechen noch immer Nebelschwaden durch entblätterte Laubwälder, wachsen auf den Strassen die kleineren Pfützen zu immer grösseren zusammen, beginnt der Rasen in den Vorgärten zu schwimmen. Immer noch enttäuscht der erste morgendliche Blick aus dem Fenster die Hoffnung auf eine Aufhellung. Noch immer schmeckt der Kaffee schal, und es will einfach keine Unterhaltung am Frühstückstisch in Gang kommen.